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Teenager Jamie (Glen Berry) und der Nachbarsjunge Ste (Scott Neal) erleben im Problemumfeld einer Londoner Plattenbausiedlung ihre erste Liebe – miteinander. Witziger und gleichzeitig einfühlsamer Klassiker des schwulen Kinos, aber auch für Heteros interessant.
Ste (Scott Neal, links) und Jamie (Glen Berry) vor dem Plattenbau von Thamesmead, London.
Inhalt:
In der Plattenbausiedlung im öden Thamesmead, einem südöstlichen Außenbezirks Groß-Londons, lebt der 16-jährige Jamie Gangel (Glen Berry), der den Schulsport schwänzt, um den Hänseleien seiner Mitschüler zu entgehen. Jamie ist recht still, trägt hin und wieder eine Brille und ist schwul, doch das soll keiner Wissen, weil es sein Leben noch komplizierter machen würde. Jamies allein erziehende, 35-jährige Mutter Sandra (Linda Henry) findet sein regelmäßiges Schwänzen nicht gut, belügt aber die Schulleitung trotzdem, um Jamie zu schützen.
Sandra arbeitet in einem Pub und ihr momentaner Liebhaber Tony (Ben Daniels) ist Maler, Hippie und erst 27. Jamies Nachbarn sind zum einen die durchgeknallte Schwarze Leah Russel (Tameka Empson), die der Schule verwiesen wurde. Nicht nur tagsüber stört Leah die Nachbarschaft mit lauter Musik von Mama Cass. Zum anderen wohnt direkt nebenan Ste Pearce (Scott Neal) mit seinem älteren Bruder Trevor (Daniel Bowers) und seinem griesgrämigen, trinksüchtigen Vater Ronnie (Garry Cooper).
Leah Russel (Tameka Empson) liebt Mama Cass über alles.
Eines Abends wird Ste wieder einmal von seinem Bruder geschlagen, weil er Trevors Turnschuhe dreckig gemacht hat, und will deswegen nicht mehr nach Hause gehe. Sandra nimmt ihn mit zu sich, wo er bei Jamie im Bett schlafen soll – am Fußende natürlich. Obwohl sie Nachbarn sind, lernen sich die beiden Jungen erst dadurch besser kennen. Ste lädt Jamie zu einem Boxkampf ein, was Jamie ablehnt. Nach dem Boxkampf wird Ste abermals von Trevor vermöbelt.
Ste übernachtet ein weiteres Mal bei den Gangels und er und Jamie kommen sich näher – behutsam, wegen Stes Prellungen. Tags drauf klaut Jamie eine Schwulenzeitschrift und auf einer Party gesteht er Ste, was er für ihn empfindet. Trotz einiger Bedenken trauen sich die Jungs, ihren Gefühle heimlich nachzugeben. Gemeinsam gehen sie in die Gaybar The Gloucester, doch Sandra findet das Magazin und folgt den Jungs…
Jamie massiert Ste ganz vorsicht, weil Stes Rücken voller Prellungen ist.
Kritik:
Trotz des rauen, ruppigen Umgangstons der Arbeiterklasse erzählt "Beautiful Thing" einfühlsam die Geschichte einer ersten Liebe – einer schwulen Liebe. Zusätzlich zum Erwachsenwerden, zu Drogenproblemen, Nachbarschaftsstreit, Gewalt in der Familie und hässlichen Hänseleien – Probleme, für die jedoch keine Lösung gefunden wird – haben Jamie und Ste mit mangelnder Selbstliebe und ihren aufkeimenden Gefühlen füreinander zu kämpfen. Es ist nicht leicht, in so einem Umfeld und unter solchen Umständen zu seiner schwulen Liebe zu stehen, doch der Film feiert diese Liebe und der Zuschauer feiert mit.
Die ständigen, bissigen Sticheleien treffen immer wunde Punkte und sind dabei doch erfrischend warmherzig und komisch. In den richtigen Momenten wird der Ton sanfter, sensibler, obgleich die Wortwahl dann etwas zu gehoben für das Cockney-Umfeld wirkt. Gerade an den Dialogen erkennt man die Theatervorlage. Dass der Ton ihres Debütfilm so gut sitzt, liegt daran, dass Regisseurin Hettie Macdonald vorher geübt hat: unter ihrer Regie wurde das Theaterstück 1994 im Duke of York's Theatre in London aufgeführt.
Jamie und Ste in schulischen T-Shirts. Nachbarin Leah ist von der Schule geflogen.
Die beiden jungen Hauptdarsteller Glen Berry und Scott Neal, die zu der Zeit des Drehs Schauspielschüler waren, sind niedlich und spielen weich und echt. Es ist sehr schade, dass man nicht mehr viel von ihnen gesehen hat! Auch Henry als Mutter und Empson als Leah sind toll besetzt. Und dann ist da der äußerst charmante und durch seine Einseitigkeit bestechende Soundtrack: von vorne bis hinten ist der Film fast ausnahmslos gespickt mit Liedern von Mama Cass von der Gruppe The Mamas & The Papas. Die Momente, in denen sich Jamie und Ste näher kommen, sind mit herzerweichendem Instrumental unterlegt. Wunderbar!
Die Verfilmung durch den Sender Channel Four war eigentlich nur fürs Fernsehen gedacht, doch weil sie so gut beim Publikum ankam, wurde "Beautiful Things" international in die Kinos geschickt. Obwohl der Stil des Films eher struppig und das versöhnliche Ende zusammengebraut ist, waren die Kritiken überaus positiv und schnell entwickelte sich der witzige und einfühlsame Film zu einem Klassiker des Queer Cinemas. Dabei macht er nicht nur einem jugendlichen Publikum Mut, sondern vermittelt grundsätzlich ein unbeschwerteres Lebensgefühl und ist ein schöner Film für frisch Verliebte.
Die DVD bietet leider bis auf einen Kinotrailer, geschriebene Infos, Web-Links (wer nutzt so was eigentlich?) und Filmvorschauen kein interessantes Bonusmaterial. Auch gibt es keine Untertitel, was gerade beim schnell gesprochenen und schwierigen Cockney-Akzent der britischen Originaltonfassung wirklich fehlt, denn selbst mit gutem Schulenglisch versteht man kaum ein Drittel. Weil viele Witze dabei an einem vorbeigehen, sollte man vielleicht besser auf die deutsche Synchronfassung zurückgreifen, die ebenfalls schön bissig übersetzt ist.
Jamie und Ste stehen zu ihren Gefühlen.
Hintergrund:
- "Beautiful Thing" basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Jonathan Harvey, welches am 28. Juli 1993 im Bush Theatre London uraufgeführt wurde. Weil das Stück vom Theaterpublikum so gut angenommen wurde, gab Channel Four Films bei Harvey ein Drehbuch dazu in Auftrag.
- Der Londoner Stadtteil Thamesmead South mit seinem Plattenbau wurde von Stanley Kubrick in "Uhrwerk Orange" gezeigt.
- Obwohl sich die Geschichte hartnäckig hält, starb Sängerin Mama Cass aka Cass Elliot nicht, weil sie an einem Schinkensandwich erstickte, sondern schlafend an Herzversagen, wie die Autopsie ergab.
Für alle Bilder gilt:
© by PRO-FUN MEDIA
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Fakten |
Originaltitel: Beautiful Thing / Die erste Liebe
deutscher Kinostart am: 02.01.1997
Genre: Romantische Komödie / Drama
Regie:
Hettie Macdonald
Dieser Film wurde bewertet von: Martin(84%), RS(90%)
Texte: Martin
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