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Rückwärts ist das neue Vorwärts! Weil sein Kurzzeitgedächtnis versagt, muss sich Leonard (Guy Pearce) mit Polaroidfotos und Notizen helfen. Die Suche nach den Mördern seiner Frau macht das nicht gerade leichter. Auch der Zuschauer kann Christopher Nolans innovativem Meister-Thriller nur mit Mühe folgen. Mühe, die sich lohnt.
Kritik:
Im Sport gibt es etwas Vergleichbares kaum noch: Die Weltrekorde stehen, werden gelegentlich um ein paar Zehntelsekunden oder Zentimeter verbessert. Quantensprünge? Fehlanzeige. Anders im Kino: Da taucht aus dem Nichts ein Film wie „Memento" auf, der herkömmlichen Sehgewohnheiten und Erzählstrukturen eine neue Dimension hinzufügt.
Wo waren wir stehen geblieben? Genau - bei Leonard (Guy Pearce). Seit dem Mord an seiner Frau ist sein Kurzzeitgedächtnis diese Bezeichnung nicht mehr wert. Alles, was länger als ein paar Minuten her ist, verschwindet in einem schwarzen Loch. Leonards einziges Lebensziel: Die Mörder seiner Frau finden und sich rächen. Er verfolgt sie mit Hilfe von Erinnerungsstützen auf Polaroids. „Traue seinen Lügen nicht", steht etwa auf dem Abbild von Teddy (Joe Pantoliano), der vorgibt, sein bester Freund zu sein. „Sie wird dir helfen, weil sie auch jemanden verloren hat", lauten die Worte unter Natalies Foto (Carrie-Anne Moss). Leonard hat das alles geschrieben, zweifellos. Aber warum und in welcher Situation - daran kann er sich nicht erinnern. Er muss den Fakten vertrauen, doch ohne Einordnung sind Fakten so wertlos wie ein Puzzle, dessen Teile aus verschiedenen Kästen zusammengeworfen wurden.
Leonard (Guy Pearce) sucht den Mörder seiner Frau.
Genau ein einziger Spezialeffekt wird benötigt, um das beunruhigende Spiel mit Vorstellung und Vortäuschung in Szene zu setzen - gleich zu Beginn: Ein Polaroid-Foto verblasst, wird von der Kamera aufgesogen. Das Opfer einer Hinrichtung erwacht wieder zum Leben, die Kugel verschwindet in der Pistole. Die Handlung läuft rückwärts. Und gibt damit die Richtung für den Rest des Filmes vor.
Christopher Nolan, der das Drehbuch nach einer Kurzgeschichte seines Bruders Jonathan schrieb, geht mit schlafwandlerischer Sicherheit vor. Lässt Leonard munter an seiner Vergangenheit herumpuzzeln. Lässt die Zuschauer dabei zusehen und immer haarscharf am Rand zur Verständnislosigkeit entlangspazieren. Droht der Absturz in die Konfusion, wirft er mit der differenzierten Verwendung von Schwarz-weiß- und Farb-Sequenzen für die beiden Erzählstränge das Halteseil aus. Kommt eine weitere geheimnisvolle Person ins Spiel, verliert sie in der nächsten Rückblende zwar ihr persönliches Geheimnis. Die Motive und Hintergründe bleiben jedoch bis zum Schluss verwirrend.
Selten zuvor dürfte eine Auflösung so sehnsüchtig erwartet worden sein wie in diesem Zeitlupen-Thriller. Und höchst selten war die finale Zusammenführung der Verdachtsmomente, Hin- und Beweise gleichzeitig so zwangsläufig einleuchtend und dennoch unbefriedigend. Weil eben kein Mörder präsentiert, kein eindeutiges Motiv herausgearbeitet wird - die Geschehnisse eben nicht nachträglich vereinfacht werden.
Natalie (Carrie-Anne Moss) soll und will Leonard helfen...
Wenn die Empfehlung „mehrmals sehen!" je angebracht war, dann hier. Und sei es nur, um bei der x-ten Wiederholung doch noch auf einen logischen Fehler zu stoßen, der das perfekt und unangreifbar scheinende Gesamtkunstwerk ein bisschen weniger perfekt werden lässt. Oder vielleicht einfach nur, weil man die Hälfte schon wieder vergessen hat.
Dass „Memento" erst jetzt ins Kino kommt und nicht, sagen wir mal, vor zehn Jahren, hat einen einfachen Grund: Zu Beginn der 90er hätte den Film noch niemand verstanden. Das mag als Gegenbeweis für diejenigen dienen, die dem Kino eine Verdummung der Massen vorwerfen. Von wegen: Jetzt ist Mitdenken angesagt! Und - hören wir da nicht sogar schon einen Oscar anklopfen? Der für's Drehbuch dürfte es mindestens sein.
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