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Erheiternd, menschlich und abwechslungsreich, aber manchmal etwas voreingenommen folgt die Doku mehreren Schwaben aller Altersgruppen, befragt sie zu ihrem Coming-Out und ihrem schwulen Leben in der Provinz.
Teddy-ausgezeichneter Film von Jochen Hick.
Inhalt:
Während in Berlin der Oberbürgermeister offen homosexuell ist und ein Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet wurde, ist das ländlichere Leben in Schwaben selbst am Anfang des neuen Jahrtausends eher christlich-traditionell und stark heterosexuell dominiert. Viele Schwule ziehen in große Städte, wo sie auf mehr Akzeptanz stoßen, aber so einige bleiben auch gern in ihrer Heimat, wo sie versteckter leben müssen und weniger Gleichgesinnte treffen. CSDs sind z.B. in Köln zu Volksfesten geworden, wohingegen der in Ravensburg von christlicher Ablehnung begleitet wird.
Der Schwarzwälder Uwe wohnt trotz seiner fast 40 Jahre bei seiner Mutter, die nichts gegen Uwes Militärfetisch und gelegentlichen Männerbesuch hat, fährt aber gerne mal nach Berlin. Forstwirt Stefan, 26, berichtet, wie er sich bei seinen Arbeitskollegen geoutet hat. Richard, 78, und sein guter Freund haben das dritte Reich überlebt, weil sie schwiegen, und besuchen regelmäßig die Szene in Zürich. Die Katholikin Erika hat zwei schwule Söhne und betreibt Aufklärung. Und Hartmut hat sich mit 51 Jahren in seinem Alpdorf geoutet, spricht und lebt seitdem recht freizügig, ist HIV-positiv und reist gerne zu seinem Lover nach Thailand.
Kritik:
"I'm the only gay in the village", müssen sich viele Schwule in ländlicheren Regionen Deutschlands denken, und viele Heteros glauben, keinen einzigen Homosexuellen zu kennen. So gehen die Vorurteile. Einige davon werden bestätigt, andere widerlegt. Die Dokumentation von Jochen Hick, die 2003 einen Teddy Award gewann, zeichnet ein vielseitiges Bild schwulen Lebens im Schwabenland, welches wohl stellvertretend für andere ländlichere Regionen in Deutschland stehen kann.
Dass trotz aller Christlichkeit und Heteronormativität die Toleranz im ländlichen Deutschland weitaus größer ist als in manch einer internationalen Metropole, das ist die Erkenntnis von "Ich kenn keinen – Allein unter Heteros". Da bekennt sich einerseits ein Heteromann bei Hartmuts Stammtisch, sich Petting mit einem Mann vorstellen zu können, doch die bemühte politische Korrektheit in der Lokalrunde ist auffällig. Andererseits äußern christliche Frauen am Rande des CSDs, dass die schwulen Paradeteilnehmer bekehrt werden müssen.
Den homosexuellen Interviewten gemein ist, dass sie in ihrer dörflichen Umgebung trotz einiger unerwarteter Liberalität immer wieder auf Unverständnis oder Ablehnung stoßen und ihre Sexualität auf dem Land kaum ausleben können. Viele reisen dafür bereitwillig einige Distanz, was sich besonders im Fall von Gemeindemitglied Hartmut an moralische Grenzen herantastet. Hick beginnt seine Dokumentation ganz im Zentrum ihres Lebens, nämlich in ihrem Heim. Das vermittelt Nähe, Ehrlichkeit und Sympathie. Dann folgt er ihnen ziemlich intim auf ihren Ausflügen.
Durch die mutigen und ehrlichen Bekenntnisse und die großteils wertfreie Präsentation bleibt es dem Zuschauer überlassen, sich eine Meinung zu bilden. Dazu muss gesagt werden, dass die Fragen von Hick teilweise einfach nicht tief genug gehen. Die Gegenmeinungen abseits von christlichen Standardphrasen finden wenig ernsthaftes Gehör. Das macht "Ich kenn keinen" ein wenig einseitig. Andererseits ist die Fokussierung auf die (Pro-)Homosexuellen natürlich gewollt und zudem unterhaltsam und informativ genug.
Hintergrund:
- Jochen Hick drehte in seiner hauptsächlich queer-orientierten Dokumentarkarriere auch den Zweiteiler "Sex/Life in L.A.", "Rainbow's End" oder zuletzt "Der gute Amerikaner".
- Neben der 99-minütigen Dokumentation enthält die DVD weitere Extras: Audiokommentar mit Regisseur Hick und Filmemacher Wieland Speck ("Westler"), Filmmaterial zur Kinopremiere (2 min), 11 Minuten entfallene Szenen, Kinotrailer, Biographie des Regisseurs und Filmvorschauen.
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Fakten |
Originaltitel: Ich kenn keinen – Allein unter Heteros
deutscher Kinostart am: 11.03.2004
Genre: Dokumentation
Regie:
Jochen Hick Länge: ca. 99 Minuten FSK der Kinofassung: ab 12 freigegeben mit Eltern ab sechs Jahren erlaubt Kinoverleih: Salzgeber
Dieser Film wurde bewertet von: Martin(73%)
Texte: Martin
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