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Wer sich an Woodstock erinnert, ist nicht dabei gewesen! Oscar-Regisseur Ang Lee erschafft zum 40. Jahrestag die ultimative Komödie für alle, die sich wieder erinnern wollen oder nicht dabei waren. Ein humorvoller, teils psychedelischer Trip hinter die Kulissen von Woodstock. Cineclub-Filmtipp!
Elliot Teichberg (Demetri Martin, Mitte) im psychedelischen VW-Bus von einem Hippiepaar (Kelli Garner und Paul Dano).
Inhalt:
Das heruntergewirtschaftete El Monaco Motel in Bethel (US-Staat New York) läuft nicht sonderlich gut. Das liegt wohl auch daran, dass die russisch-jüdische Immigrantin Sonia Teichberg (Imelda Staunton) mit ihrem resignierten Ehemann Jake (Henry Goodman) auf ruppige und sparsame Weise den Laden führt. Die überdrehte Hippie-Theatergruppe Earth Light, die in der Scheune übernachtet und probt, bringt nichts ein. Sogar den letzten Gast vergrault Sonia, obwohl die Bank ihnen das Motel abzunehmen droht. Sohnemann Elliot (Demetri Martin) schafft es, der Bank einen letzten Kreditaufschub abzuschwatzen.
Elliot möchte gern Innenausstatter werden und unterrichtet eigentlich in New York City kreatives Schreiben, doch um seine Eltern vor dem Ruin zu bewahren, kehrt er nach Bethel zurück und hilft im elterlichen Motel aus. Nebenher ist er Vorsitzender der örtlichen Handelskammer und in einer Bürgersitzung wird unter anderem sein White Lake Music and Arts Festival genehmigt, das als kleines Kammerkonzert auf dem Motelgrundstück geplant ist. Mit schwerem Herzen sieht Elliot seinen alten Freund Billy (Emile Hirsch) mit einigen Störungen aus dem Vietnamkrieg zurückkehren.
Eines Morgens schlägt Elliot die Zeitung auf, in der zu lesen ist, dass Wallkill, ein Ort in der Gegend, ein Open-Air-Musikfestival untersagt hat. Mit seiner ordentlich bewilligten Festivalerlaubnis wittert er seine Chance, zumindest ein bisschen Umsatz ins elterliche Motel zu bringen. Elliot ruft den Veranstalter Michael Lang (Jonathan Groff) an und schlägt ihm vor, das Festival mit seiner Genehmigung auf den 15 Hektar Land hinterm Motel zu veranstalten. Als Lang mit seinem wichtigen Gefolge in Bethel eintrifft, wird klar, dass das Grundstück hauptsächlich aus nutzlosem Sumpfland besteht.
Elliot mit seiner Mutter Sonia (Imelda Staunton) und seinem Vater Jake (Henry Goodman) auf der Bank.
Als letzte Möglichkeit kommt Elliot das Weideland des Milchbauern Max Yasgur (Eugene Levy) in den Sinn. Diese Location mit geschwungenen Hügeln ist perfekt und Yasgur verlangt lediglich 5000 Dollar. Lang bucht das komplette El Monaco als Festivalzentrale und zahlt bar im Voraus. Sonias Geschäftssinn erwacht, als immer mehr Gäste in das Städtchen einfallen, und sie belegt die Zimmer mehrfach. Schnell wird jedoch klar, dass fast einhunderttausend Besucher erwartet werden.
Das Festival droht auch in Bethel zu kippen, denn Yasgur verlangt mehr Geld und viele Bewohner sperren sich gegen das Festival. Einige Dorfjugendliche sprühen Hassparolen an die Motelwände. Als eine mafiöse Bande die Teichbergs um Schutzgeld erpresst, ist es sogar dem gleichmütigen Jake zu viel und er schlägt sie in die Flucht. Glücklicherweise bietet sich der Ex-Soldat und auffällige Transvestit Vilma (Liev Schreiber) als Sicherheitsmann an. Vilma wird Jake ein guter Freund, was dem ungeoutet schwulen Elliot unheimlich ist.
Das Motel ist gnadenlos überbelegt, der Pool als Trinkwasserspeicher gesperrt und das Essen wird knapp. Schon parken Autos auf der Straße ins Dörfchen und das El Monaco ist Mittelpunkt des Hippietreibens. Doch niemand hat auch nur eine blasse Ahnung, wie groß das Woodstock-Festival wirklich wird. Denn als Elliot bekifft eine Pressekonferenz gibt, zitiert ihn die Presse, dass das Festival vollkommen umsonst stattfindet, was eine Millionenmasse in Richtung Bethel in Bewegung setzt.
Nach dem Regen rutscht Billy (Emile Hirsch) auf der Matschrampe.
Kritik:
Freizügige Liebe, nackte Haut, Blumen im Haar, Haschkekse und psychedelische LSD-Trips, Spaß im Matsch, elektrisierte Gegenstände, kostenlos verteiltes Essen und legendäre Auftritte von wahren Musikikonen – das überlaufene und chaotische Woodstock-Festival Mitte August 1969 war eine friedliche Demonstration gegen Krieg und für brüderliche Liebe. Woodstock hat die Mode und Popkultur revolutioniert, ist einer der wichtigsten Momente der Musikgeschichte. Woodstock hat sich zu einem modernen Mythos entwickelt – vermutlich auch, weil sich viele, die selbst dabei waren, kaum erinnern können.
Pünktlich zum 40. Jahrestag des Höhepunkts der Hippiekultur bringt der taiwanesische Erfolgsregisseur Ang Lee, bekannt für seine dramatischen Filme "Sinn und Sinnlichkeit", "Der Eissturm", "Tiger & Dragon" und "Brokeback Mountain", mit der sommerlichen Komödie "Taking Woodstock" das unbeschwerte Lebensgefühl und den Zeitgeist des Musikfestivals zurück. Ein 120-minütiger, fabelhafter Film für alle, die sich erinnern wollen, und jene, die nicht dabei sein konnten, aber gerne gewollt hätten. Ein Coming-of-age-Film, der sich mit großer Detailliebe vieler der oben genannten Elemente bedient, außer der Liveauftritte.
Festivalveranstalter Michael Lang (Jonathan Groff, links) mietet Land vom Milchbauern Max Yasgur (Eugene Levy, Mitte).
Weil der Film auf der Lebensgeschichte "Taking Woodstock: A True Story of a Riot, a Concert and a Life" von Elliot Tiber (wie sich Teichberg für die Biographie nannte) basiert und sich deswegen hauptsächlich um ihn dreht, ist Ang Lees Film kein Musikfilm. Vielmehr geht es um die Ereignisse, die dazu führten, dass Woodstock überhaupt stattfinden konnte, und die das Leben der Teichbergs verändert haben. All jene, die das Bühnentreiben des geschichtsträchtigen Musikfestivals nacherleben wollen, sollten lieber auf die Oscar-prämierte Musikdokumentation "Woodstock" von 1970 zurückgreifen, am besten gleich im längeren Director's Cut. Stilistisch bedient sich "Taking Woodstock" jedoch an der Musikdoku (z.B. die Splitscreens). Teils wurden ganze Einstellungen nachgestellt und Kostüme eins zu eins nachgeschneidert. Jonathan Groff sieht z.B. in "Taking Woodstock" haargenau so aus wie der echte Michael Lang in der Doku.
Anfangs erscheint "Taking Woodstock" auf jene, die keine Ahnung von den Umständen des Zustandekommens des Festivals haben, wie eine Parodie. Was soll die schrullige Familie Teichberg mit Woodstock zu tun haben? Doch mit der Zeit wird klar, dass es sich um die wahre Geschichte Woodstocks handelt und Elliot Tiber eine Schlüsselfigur für Woodstock war. Der Zuschauer bekommt einen authentischen Eindruck der Umstände und des Treibens, auch wenn Tibers Geschichte ihn kaum in die Nähe der Musikbühne führt. Der Soundtrack bedient sich jedoch musikalischer Helden der Zeit: The Doors (die nicht auftraten), Janis Joplin, Melanie, Richie Havens, Grateful Dead, Jefferson Airplane u.v.a. Die Filmmusik stammt von Danny Elfman ("Terminator – Die Erlösung", "Spider-Man" und viele Tim-Burton-Filme).
Transvestit Vilma (Liev Schreiber) kümmert sich um die Sicherheit im El Monaco.
Imelda Staunton ("Harry Potter und der Orden des Phoenix", "Vera Drake", "Shakespeare in Love" oder "Sinn und Sinnlichkeit") ist phänomenal und urkomisch als ruppige Mutter Sonia. Ausgelassene Freude und ein großes Schmunzeln verbreitet die tänzelnde Hippie-Theatergruppe Earth Light um Dan Fogler ("Fanboys"). Auch Henry Goodman ("Notting Hill", "The Saint – Der Mann ohne Namen") als Vater Jake, Eugene Levy ("American Pie") als Milchbauer Yasgur sowie Hollywoodneuling Demetri Martin als Elliot spielen köstlich ruhig. Was genau der gestörte, zottelige Vietnamveteran Billy in der Geschichte zu suchen hat, ist nicht wirklich klar, aber besonders weibliche Zuschauer werden sich am Anblick von Emile Hirsch ("Milk", "Speed Racer", "Into The Wild") ebenso erfreuen wie am Lockenkopf Jonathan Groff als Festivalorganisator Lang.
Die größte Überraschung ist Liev Schreiber, bekannt aus der Scream-Trilogie, "Hurricane" und "Der Manchurian Kandidat" (jeweils mit Denzel Washington) und neulich als Sabretooth in "X-Men Origins: Wolverine". Wenn dieser Kerl von Mann mit langen Haaren und in lila Kleid seine Knarre enthüllt, stockt dem Publikum der Atem – saulustig unsexy! Schreibers Auftritt als Transe kommt nicht von ungefähr: "Taking Woodstock" ist nach "Das Hochzeitsbankett" und "Brokeback Mountain" Ang Lees dritter Film mit schwulem Hauptcharakter, denn Elliot Tiber wurde ein Mitbegründer der Schwulenbewegung, als er sechs Wochen vor Woodstock am Stonewall-Aufstand beteiligt war, dem Widerstand gegen Razzien in schwulen Bars, welchem die alljährlichen Christopher-Street-Days (CSDs oder Gay Prides) erinnern.
Millionen sind auf dem Weg zum Woodstock und nicht alle kommen an.
Hintergrund:
- Das Drehbuch stammt von James Schamus, der für alle Ang-Lee-Filme, außer für "Brokeback Mountain" und für Kurzfilm "Chosen", das Drehbuch schrieb. Außerdem produzierte Schamus alle Spielfilme von Ang Lee, von "Eat Drink Man Woman" über "Ride With The Devil" bis hin zu "Hulk".
- Passend zum Film und Jahrestag hat Sony dieses Jahr die kompletten Liveaufnahmen von Janis Joplin, Santana, Jefferson Airplane und Johnny Winter jeweils unter dem Titel "The Woodstock Experience" veröffentlicht.
- Mehr Infos zum "Woodstock Music & Art Fair" findet ihr unter Woodstock Festival (Wikipedia).
Der echte Elliot Tiber mit Demetri Martin und Regisseur Ang Lee.
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English Review
Fakten |
Originaltitel: Taking Woodstock
deutscher Kinostart am: 03.09.2009
Genre: Komödie / Drama
Regie:
Ang Lee Länge: ca. 121 Minuten FSK der Kinofassung: ab 6 freigegeben Kinoverleih: Tobis
Dieser Film wurde bewertet von: Martin(94%)
Texte: Martin
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Synchronsprecher
Schauspieler | Synchronsprecher |
Demetri Martin | Robin Kahnmeyer |
Imelda Staunton | Astrid Bless |
Henry Goldman | Jan Spitzer |
TV-Termine
Datum | Uhrzeit | Sender |
13.01.2020 |
23:15 |
HR |
31.12.2019 |
18:20 |
One |
²) Sendezeiten bis 05:00 Uhr sind in der Nacht zum Folgetag.
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