Heute gehe ich allein nach Hause |
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Länge | Unterhaltung | Spannung | Action | Musik | Erotik | Anspruch | Eindruck | Gesamt |
***** | **** | *** | - | **** | ***** | *** | ***** |
96% |
Inhalt:
Der blinde Jugendliche Leonardo (Ghilherme Lobo) geht auf eine allgemeine Schule im brasilianischen São Paulo, wo keine außerordentliche Rücksicht auf seine visuelle Einschränkung genommen wird. Seine Eltern hingegen machen sich ständig Sorgen, wodurch sich Leonardo unterdrückt fühlt. Er möchte gern dieselben Freiheiten wie seine Altersgenossen haben und überlegt deswegen, durch einen Schulaustausch ein Jahr weit weg im Ausland zu verbringen. Leonardos beste Freundin Giovana (Tess Amorim), die in seine Klasse geht und ihn täglich nach der Schule nach Hause bringt, unterstützt ihn in seinem Plan nur halbherzig, denn eigentlich ist sie heimlich in ihn verliebt. Eines Tages kommt ein neuer Schüler in ihre Klasse, der Lockenkopf Gabriel (Fabio Audi). Leonardo und Giovana freunden sich mit ihm an, doch als Leonardo und Gabriel eine Schularbeit zusammen machen müssen, bleibt Giovana etwas außen vor. Bei einem Klassenausflug eröffnet Leonardo schließlich Giovana gegenüber, dass er sich in Gabriel verliebt hat. Kritik:
Für gewöhnlich glauben wir, dass sexuelle Reize vorrangig visueller Natur sind: wir sehen ein hübsches Gesicht, einen schönen Körper, der sich anmutig bewegt, und unser Körper reagiert darauf. Aber was ist, wenn es diese Reize und keinen Augenkontakt gibt? Sicherlich haben sich schon tausende Blinde auch ohne verliebt, aber es wurde noch nie erzählt, wie ein nicht-sehender Jugendlicher entdeckt, dass er sich in jemanden seines eigenen Geschlechts verliebt. Einige Gruppierungen (z.B. kirchliche oder politische) argumentieren, dass Jugendliche zur Homosexualität verführt werden könnten. Dies ist eine der Hauptbegründungen für die russische Anti-Homophobie-Gesetzgebung neuerdings. Dieser Ansatz wird zwar schon dadurch ad absurdum geführt, dass (fast) alle Schwulen, Lesben und Transgender von heterosexuellen Eltern geboren und aufgezogen werden – nach der Vorbildtheorie also ebenfalls heterosexuell werden müssten. Aber welcher Homophobe möchte schon rationale Argumente hören? Der schwule Regisseur Daniel Ribeiro erzählt mit seiner äußerst süßen, einfühlsamen Liebesgeschichte "The Way He Looks", dass diese Zuneigung einfach entsteht. Das ist etwas, was Schwule und Lesben weltweit bestätigen werden: die Zuneigung ist einfach da. Leonardo verliebt sich in jemanden, der gut zu ihm ist, ihm nahe steht, jemand der eher beiläufig ebenfalls männlich ist. Liebe ist ein universelles Gefühl, eine Verbundenheit zwischen zwei Menschen. Besonders im Falle des blinden Leonardos könnte man jenes kitschige Zitat aus "Der kleine Prinz" anführen. Das ist es, was Ribeiro in einer einfachen und darum verständlichen Geschichte erzählt. Einen Konflikt mit seinen Gefühlen gibt es für Leonardo nicht. Das Geschlecht spielt im Grunde keine Rolle für seine Liebe. Konflikte werden höchstens von außen herangetragen, wenn die Gesellschaft ihren tradierten Normierungsdruck ausüben will (im Film durch andere Mitschüler). Ribeiro hatte schon vor vier Jahren drei wunderbare junge Darsteller gefunden, um mit ihnen den Kurzfilm "Eu Não Quero Voltar Sozinho" (zu deutsch: Ich will nicht allein nach Hause gehen) zu drehen, der bereits die Kerngeschichte Leonardos erzählt. Der Film lief auf über 80 Festivals, gewann zahlreiche Preise (z.B. in Hannover, Köln, Dortmund), wurde 3 Mio. Mal auf Youtube gesehen und hat weltweit viele Fans. Die Langfilmfassung "The Way He Looks" (der Originaltitel "Hoje Eu Quero Voltar Sozinho" bedeutet "Heute will ich allein nach Hause gehen") war ebenfalls von Anfang an geplant, wurde aber erst mit Volljährigkeit des Hauptdarstellers Ghilherme Lobo umgesetzt. Das Warten hat sich gelohnt. Die Geschichte zu einem Langfilm aufzufüllen und abzuändern hat wunderbar geklappt, die drei Hauptdarsteller sind extrem glaubwürdig und goldig wie bereits im Kurzfilm und die Uraufführung bei der 64. Berlinale wurde mit euphorischerem Applaus als die anderen Filme gefeiert. Dies ist ein süßer, herziger, natürlicher Film, den das Publikum noch weit tragen wird. Falls ihr die Chance habt, solltet ihr ihn unbedingt sehen. Hintergrund:
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