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Hier lachen der Ossi und der Wessi - und zwar sowohl über sich, als auch über die Spezies auf der jeweils anderen Seite der Mauer. Cineclub-Filmtipp!
Kritik:
..von Marc Altenburg (abu):
Die Mauer als Witz? Die deutsche Teilung als Stoff für eine Komödie? Historikern rollen sich dabei die Fußnägel hoch. Regisseur Leander Haußmann und Autor Thomas Brussig dagegen fangen hier erst an: In der Sonnenallee, einer Berliner Straße, die im Ost- und Westteil liegt.
Was sich in den 70er Jahren da auf der Ostseite des antifaschistischen Schutzwalls abspielt, besteht einerseits eben nicht nur aus den Horrorgemälden permanenter Stasi-Verfolgung oder grassierender Lebensmittelknappheit. Aber auch die Verharmlosungen der "Früher-war-alles-besser"-Fraktion werden entlarvt. Das Leben von Micha und seinen Freunden, alle irgendwo zwischen 14 und 18, ist einfach viel zu kompliziert, aufregend und schön, um sich um die große Politik zu kümmern.
Das gilt erst recht, als Micha das hübscheste Mädchen des Viertels kennen lernt: Miriam (Teresa Weißbach). Seine Versuche, sich ihr zu nähern, sind von so liebenswerter Einfalt - er verbringt Nächte damit, sein Leben in einem fiktiven Tagebuch aufzuschreiben, um sie zu beeindrucken - dass er sie einfach kriegen müsste, sollte es mit rechten Dingen zugehen. Nun ja, geht es aber meistens nicht. Nur eine Auswahl der Missgeschicke, die ihm dazwischenkommen: Eine völlig verpatzte Drogen-Party, ein aufschneiderischer West-Yuppie und der hochgradig übermotivierte Abschnittsbevollmächtigte Horkefeld (Detlef Buck). Der übrigens ist eine der wenigen Schwachstellen des Films. Denn wie gut Regisseur Buck auch sein mag, als Schauspieler geht er in diesem hochkarätigen Personenkarrussell baden. Er kommt einfach nicht gegen Alexander Scheer (Micha), Henry Hübchen und Katharina Thalbach (Michas Eltern) oder den schmuggelnden Onkel aus dem Westen (Ignaz Kirchner) an.
Ossi-Eltern Deluxe: Henry Hübchen und Katharina Thalbach.
Aber das lässt sich verschmerzen. Denn der reine Sympathiewert, den man den Figuren entgegenbringt, liegt schon weit über dem Durchschnitt - und geht einher mit phantastischen Schauspieler-Leistungen. Und selbst, wenn sie sich völlig blöd und ungeschickt verhalten - bloßgestellt werden sie nicht.
"Sonnenallee" ist endlich mal nicht einer dieser ewigen Betroffenheits-Filme von Berufsnörglern und Schwadroneuren. Wo soll denn die Einheit auch herkommen, wenn man sich gegenseitig mit Vorwürfen und Häme übergießt? Haußmann dagegen legt Humor drüber - und hat somit mehr für die Gemeinsamkeit getan, als Dutzende von Sozio- und Psychologen. Denn hier lachen der Ossi und der Wessi - und zwar sowohl über sich, als auch über die Spezies auf der jeweils anderen Seite der Mauer. Und wenn man schon gemeinsam lacht, ist ja wohl noch nicht alle Hoffnung verloren!
An der süßen Miriam will jeder mal knabbern.
..von DCGP:
Dieser Film wird wahrscheinlich mehr zur deutsch-deutschen Verständigung beitragen, als so mancher gutgemeinter Appell einiger Politiker.
Vor dem Hintergrund einer geteilten Straße in Berlin entsteht hier ein zum schreien komisches Sittengemälde der DDR-Gesellschaft. Der Film hat keine in sich geschlossene Handlung, was dem Sehvergnügen aber in keiner Weise abträglich ist. Vielmehr ist es ein Ausschnitt aus dem Alltag einer Jugendclique, die irgendwo zwischen Rebellion, Anpassung und pubertären Problemen ihren Weg zu finden versucht.
Die Angebetete des Hauptdarstellers ist natürlich Parteimädchen reinsten Wassers, und dieser muss sich eine Menge einfallen lassen, um einerseits sie für sich zu gewinnen, andererseits seine mit dem Westen sympathisierenden Kumpels nicht zu vergrätzen.
Es gibt Seitenhiebe auf den Polizeistaat, der von einem Hilflosen, den Tücken des Systems genauso schutzlos ausgelieferten Obermeister Horkefeld (Detlef Buck) verkörpert wird. Der Sprachgebrauch der DDR war ja bekannterweise geprägt von Kunstwörtern wie zB "Jahresendfrucht" für Orange und ähnlichem, und so verwundert es keinen, dass der Wachtmeister von sich behauptet, er sei ein "Schallplattenunterhalter" statt Diskjockey.
Der arrogante Westen kommt aber auch nicht ungeschoren davon, jedoch immer nur so, dass sowohl Ossi als auch Wessi sich auf liebevolle Weise parodiert fühlen. Der Film besticht somit durch eine gelungene Mischung aus sozialistischer Plattenbauästhetik und poppigem Seventies-Charme. Obwohl nur der gute DDR-Kenner alle Anspielungen auf ostdeutsche Kultur- und Filmgeschichte verstehen wird, ist der Film auf jeden Fall sehenswert und meilenweit entfernt von Slapstick-Streifen wie zB "Go Trabi Go".
Die coolen 70er blieben auch der DDR nicht verborgen...
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Fakten |
Originaltitel: Sonnenallee
deutscher Kinostart am: 07.10.1999
Genre: Komödie
Regie:
Leander Haußmann
Dieser Film wurde bewertet von: abu (91%), DCGP (94%), RS (100%), Conway (81%), FV (86%)
Texte: s.o.
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17.01.2024 |
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