|
Vor dem Hintergrund der Mani-Pulite-Untersuchungen der Mailänder Staatsanwaltschaft und den Anfängen des politischen Umbruchs in Italien im Jahr 1992 kreuzen sich die Wege unterschiedlicher Charaktere bis zu einem dramatischen Höhepunkt im Dezember. Anspruchsvolle Serienunterhaltung auf hohem Niveau.
Inhalt:
Pietro Bosco (Guido Caprino) ist gerade als Kriegsveteran in seine Heimatstadt Mailand zurückgekehrt, da bietet sich ihm völlig überraschend die Chance, für die Lega Nord zu kandidieren. Er wird tatsächlich gewählt und zieht als Abgeordneter nach Rom. Dort gerät mitten in ein korruptes System und freundet sich ironischerweise mit seinem Nachbarn Gaetano Nobile (Gianfelice Imperato) an, der ein christdemokratischer Abgeordneter ist.
Luca Pastore (Domenico Diele) arbeitet im Team des Mailänder Staatsanwalts Antonio Di Pietro (Antonio Gerardi) an den Mani-Pulite-Untersuchungen. Dabei hat er vor allem an den Ermittlungen gegen Michele Mainaghi (Tommaso Ragno) Interesse, weil dessen Firma durch illegale Blutplasma-Geschäfte die Schuld daran trägt, das Luca HIV-positiv ist. Als sein Kollege Rocco Venturi (Alessandro Roja) von Lucas Motiv erfährt, unterstützt er ihn. Auch, als dieser nicht davor zurückschreckt, sich mit Mainaghis Tochter Bibi (Tea Falco) einzulassen. Unterstützung erfährt Luca zudem hin und wieder von der Journalistin Giulia Castello (Elena Radonicich).
Loca Pastore (Domenico Diele, Dritter von links) und Staatsanwalt Antonio Di Pietro (Antonio Gerardi, in der Bildmitte)
Leonardo Notte (Stefano Accorsi) arbeitet als Marketing-Experte in einem Geheimprojekt zur Unternehmensentwicklung für den Publitalia-Konzern von Silvio Berlusconi (Vincenzo Schettini). Er hat als einziger die Vision, das italienische Volk könnte sich für einen Wirtschaftsmanager als Kopf der Regierung begeistern, wird aber immer wieder von seiner Vergangenheit eingeholt und ausgebremst: Seine uneheliche Tochter Viola (Irene Casagrande) zieht überraschend bei ihm ein und ein Unbekannter erpresst ihn wegen seiner Schuld am Tod von Bianca (Agnese Claisse), der Jahre zurückliegt und der Grund für seinen Umzug von Bologna ja Mailand war.
Veronica Castello (Miriam Leone) arbeitet als Prostituierte und hofft doch über alles, irgendwann einmal als TV-Moderatorin Karriere zu machen. Zunächst soll ihr Michele Mainaghi dabei helfen, danach Leonardo Notto und schließlich Pietro Bosco. Nach dem Tod ihrer Mutter ist von Veronicas Familie nur noch ihre Schwester Giulia geblieben. Obwohl sie eigentlich auch irgendwann eine eigene Familie haben möchte, erlebt sie Enttäuschungen, wann immer sie versucht, aus ihrer Rolle auszubrechen.
Leonardo Notte (Stefano Accorsi) genießt das Leben.
Kritik:
Es war ein mutiger und kluger Schachzug, Italien im Jahr 1992 als Rahmen für eine „fiktionalisierte“ Unterhaltungsserie zu nehmen. Wer mag, kann sich bei Wikipedia über Mani Pulite informieren (aber am besten erst nach dem ersten Anschauen der kompletten ersten Staffel der Serie) und wird feststellen, wie nah das Gezeigte an tatsächlichen historischen Ereignissen ist. Dass Silvio Berlusconi unter den Nebenrollen zu finden ist, ließ es ja bereits erahnen. Während also der geschichtliche Hintergrund schon eine gewisse Grundspannung herstellt, sind es doch vor allem die Charaktere, ihre persönlichen Schicksale und ihre Entwicklung im Laufe der 10 Folgen, die den Zuschauer in ihren Bann ziehen. Neben Stefano Accorsi der mit seiner Figur des Notte als Gesicht der Serie in Erinnerung bleibt, gelingt dies vor allem Tea Falco, die in ihrer Darstellung der Bibi Mainaghi wunderbar gefällt.
Schauspielerisch ist 1992 bis in die Nebenrollen hinein sehr gut besetzt. Mit Tommaso Ragno als Michele Mainaghi und Gianfelice Imperato als christdemokratischem Abgeordneten Nobile möchte ich an dieser Stelle zwei hervorheben, die mir persönlich ganz besonders gut gefallen haben und die auch wunderbar synchronisiert wurden.
Gianfelice Imperato als christdemokratischer Abgeordneter Nobile.
Ein Nebeneffekt der verschachtelten Erzählweise rund um die Hauptfiguren sind die zahllosen Personen und Namen, die den Zuschauer gerade in der ersten Folge herausfordern. Und wer hofft, es wird ab der zweiten Folge besser: Mitnichten! Erst etwa zur halben Strecke der 10-teiligen Serie verringert sich die Zahl neuer Gesichter deutlich. Konzentriert bei der Sache bleiben muss man ohnehin die ganze Zeit, will man alle Elemente der einzelnen Parallelhandlung mitbekommen.
1992 ist weniger eine klassische Serie mit in sich abgeschlossenen Handlungsbögen sondern eher ein Fernseh-Mehrteiler und besteht ausschließlich aus folgenübergreifenden Geschichten. Hinzu kommt, dass gnadenlos jede Folge mit einem Höhepunkt und einem Cliffhanger abschließt (natürlich auch die letzte der ersten Staffel). Da es meist in der nächsten Folge unmittelbar weitergeht, bietet sich das direkte Weitergucken innerhalb der Staffelbox an. Für den Genuss der Folgen im Serientakt, z.B. eine Folge pro Woche, ist das natürlich ein Nachteil.
Luca Pastore (Domenico Diele, rechts) verhaftet Michele Mainaghi (Tommaso Ragno, links).
Punkten kann 1992 mit sehr passender musikalischer Begleitung. Das beginnt mit der Titelmelodie, die auch für das DVD-Menu verwendet wurde und setzt sich durch die einzelnen Erzählstränge fort. Oftmals kann man schon musikalisch erkennen, wenn sich Handlungsbögen überschneiden, z.B. bei der Person des Abgeordneten Nobile.
Wenn man das Haar in der Suppe suchen möchte, kann man die Sex-Szenen nehmen, die nahezu unausweichlich in jeder Folge ihren Platz finden mussten und eigentlich nie wirklich gut funktionieren. Aber das musste aus Sicht der Produzenten wohl sein, damit die Figur der Prostituierten Veronica eine gewisse Glaubwürdigkeit erfährt. Hier wäre weniger ganz sicher besser gewesen.
Wenn man an das (italienische) Jahr 1993 denkt, ist es naheliegend, dass diese Serie weitergeführt wird. Da auch die Geschichten der Charaktere noch genügend Potential bieten, würde ich mich jedenfalls darüber freuen.
Komplexe Erzählweise abseits des Mainstreams gepaart mit starken Charakteren und gut aufspielenden Schauspielern (und Synchronsprechern) basierend auf unverbrauchten historischen Hintergründen, das ist ein Erfolgskonzept und macht 1992 zu einem Cineclub-Serientipp!
Leonardo Notte (Stefano Accorsi) und Bibi Mainaghi (Tea Falco).
Als Abgeordneter macht Pietro Bosco (Guido Caprino) nicht immer das, was seine Fraktion, die Lega Nord, möchte.
Jetzt
1992 (sofern schon verfügbar)
auf DVD übers Internet ausleihen
oder die DVD
bei momox.de verkaufen.
|
|
Fakten |
Originaltitel: 1992
Produktionsjahr: 2015
Genre: Drama / Thriller / Politikserie / Historie
Laufzeit/Folge:
52 Minuten
Diese Serie wurde bewertet von: RS(92%)
Texte: RS
Diese Serie bei Wikipedia
|
Synchronsprecher
Schauspieler | Synchronsprecher |
Stefano Accorsi | Christian Stark |
Guido Caprino | Marios Gavrilis |
Miriam Leone | Joey Cordevin |
Streaming-Angebote
|