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Die acht Folgen der zweiten Staffel von „The Missing“ zeigen einen durchgehenden Kriminalfall, der viele Haken schlägt und manche losen Enden erzeugt. Menschliche Abgründe tun sich auf, manchmal auch einer zu viel. Trotzdem bietet die Serie solide Unterhaltung, zu einer absoluten Topbewertung aber fehlt ihr zu viel. Dass die Handlung zum Teil in Deutschland spielt, macht für den deutschen Zuschauer einen zusätzlichen Reiz aus.
Inhalt:
Eine junge Frau (Abigail Hardingham), barfuß, nur mit einem Nachthemd und Strickjacke bekleidet, bricht auf dem verschneiten Weihnachtsmarkt von Eckhausen zusammen. Von Sanitätern nach ihrem Namen gefragt, flüstert sie "Sophie Giroux", bevor sie ihren eigenen Namen "Alice Webster" nennt. Sie ist die vor 11 Jahren entführte Tochter der Familie Webster, die auf der englischen Militärbasis vor Ort lebt.
Sophie Giroux verschwand ebenfalls als junges Mädchen. Die Militärpolizistin Eve Stone (Laura Fraser) nimmt Kontakt mit dem mittlerweile pensionierten französischen Kriminalbeamten Julien Baptiste (Tchéky Karyo) auf, der den Fall bearbeitete.
Baptiste, der mit dem Verschwinden von Sophie eine persönliche Schuld verbindet, nimmt gegen den Willen der Militärpolizei die Ermittlungen auf. Auf der Suche nach dem Entführer lenken ihn die Spuren von Deutschland bis in den Irak.
Kritik:
Die zweite Staffel von The Missing beginnt mit der Rückkehr eines vor elf Jahren vermissten Kindes. Ein Anfang, der das Ende der 1. Staffel sein könnte, was seinerzeit düster und verstörend blieb. Das Schicksal des 5jährigen Entführungsopfers wurde dort nicht endgültig aufgeklärt. Also quasi ein vorweggenommenes Happy End, das der 1. Staffel nicht vergönnt war.
Alice Webster, die nach 11 Jahren schwer traumatisiert aus der Gefangenschaft ihres Entführers fliehen konnte, ist für ihre Familie kaum zugänglich, ja schreckt sogar vor ihr zurück.
Wir erleben hier eine Entführungsgeschichte aus einem anderen Blickwinkel, aber es ist keine glückliche Geschichte.
Wie in der 1. Staffel wird die Geschichte über acht Folgen hinweg erzählt. Die beiden Fälle stehen dabei in keinem Zusammenhang. The Missing 2 ist eine eigenständige neue Geschichte. Das einzige verbindende Glied ist die Figur des Kommissars Julien Baptiste, der wie schon in der ersten Staffel vom französischen Schauspieler Tchéky Karyo verkörpert wird und die tragende Hauptfigur ist. Die Rolle des Getriebenen, Besessenen ist so intensiv dargestellt, dass man meinen könnte, es sei sein natürlicher Charakterzug.
Daneben muss ein zweiter starker Charakter stehen, um der Geschichte die notwendige Spannung zu geben. In der ersten Staffel ist dies mit James Nesbitt, in der Rolle des Familienvaters, hervorragend gelungen. In der 2. Staffel fehlt es an echten starken Rollen. Auch wenn mit David Morrissey als Sam Webster ein renommierter britischer Schauspieler eine Hauptrolle übernimmt. Leider bleibt die Rolle des wortkargen, seine Emotionen unterdrückenden Militärs schablonenhaft.
Die Mutter, Gemma Webster, gespielt von Keeley Hawes, zeigt die emotionale Seite in der Familie. Sie zögert, die zurückgekehrte Tochter anzunehmen und leidet unter ihren Zweifeln. Sie nimmt Veränderungen an ihrer Tochter war, die sie nicht akzeptieren und verarbeiten kann. Keeley Hawes ist neben Tchéky Karyo die eigentlich tragende Rolle. Ihre Motivation, den Entführungsfall ihrer Tochter aufgeklärt zu sehen, treibt die Handlung voran.
Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen: 2014, als Alice zu ihrer Familie zurückkehrt, und in der Gegenwart. Auf der ersten Zeitebene steht der Umgang der Familie mit der Rückkehr von Alice und die wieder aufgenommene Ermittlungsarbeit der deutschen Polizei und der britischen Militärpolizei im Vordergrund. Es sind auf der zweiten Zeitebene vor allem die Recherchen von Julien Baptiste im Irak, die einen großen Platz in der Handlung bekommen. In der Gegenwartsebene wird schnell klar, dass Alice kurz vor Weihnachten 2014 verstorben ist. Was in den wenigen Tagen zwischen ihrer Rückkehr und ihrem Tod geschehen ist, bildet die Grundlage für den Spannungsaufbau.
Die beiden Zeitebenen werden jeweils in kurzen Sequenzen miteinander verwoben. Aufklärungsarbeit und familiäre Situation bilden die Basis der Handlungsstränge.
Die Wechsel zwischen den Zeitebenen folgen teilweise so schnell aufeinander, dass es ohne die Jahreszahlen, die jedesmal eingeblendet werden, kaum auseinanderzuhalten ist.
Daher werden optische Hilfsmittel wie das Ausshen der Hauptfiguren verwendet. Gemma Webster hat 2014 lange Haare, die in der Gegenwart kurz sind. Eve Stone, ist 2014 schwanger und Sam Webster ist in der Gegenwart durch Verbrennung im Gesicht gezeichnet. Ein Problem an den schnellen Wechseln zwischen den Zeitebenen ist, dass für den Zuschauer kaum Zeit bleibt, einen Handlungsfetzen emotional einzuordnen.
Durch die besondere Situation, Rückkehr der entführten Tochter und der Tod von Alice wenige Wochen später, befinden wir uns mitten in einem psychologischen Drama. Gemma Webster, die Mutter von Alice, beschreibt am Ende der 4. Folge die Familiensituation sehr treffend: "Als Alice entführt wurde, sind wir zerbrochen, vollkommen. Wir alle drei zusammen. Aber wir wurden dadurch stärker. Weil wir das, was wir mit Alice verloren hatten, noch in uns finden konnten.
Wir hatten die Liebe, die man nur für seine Familie empfindet.
Als sie wieder in unser Leben zurückgekehrt ist, sind wir auf Neue zerbrochen."
Ja, auch das wird in die zwei Zeitebenen hineingepackt. 2014 die starke Familie, in der Gegenwart die zerbrochene Ehe der Websters und der Sohn, der zum drogensüchtigen Skinhead wird.
Bald stellt man sich die Frage: Ist The Missing 2 ein Krimi oder ein Drama? Gehen wir davon aus, dass der Krimi im Vorgrund steht, fehlt eine Konzentration auf die Ermittlungsarbeit.
The Missing ist laut Klappentext auf der DVD in erster Linie ein Krimi. 2014 ist es Eve Stone, die Militärpolizistin, die die Ermittlungen aufnimmt. Auf deutscher Seite beschäftigt sich Polizeidirektor Eichel erneut mit dem Fall Alice Webster. Der junge Polizist Jorn Lehnhart, gespielt von Florian Bartholomäi, fungiert als Bindeglied zwischen der deutschen und der Militärpolizei. Eve Stone bringt den mittlerweile pensionierten französischen Ermittler Julien Baptiste ins Spiel. Seine aktive Mitwirkung lehnt sie aber ab. Baptiste schaltet sich eigenmächtig in die Ermittlungen ein und reist nach Deutschland, um Alice Webster nach Sophie Giroux zu befragen. Die Möglichkeit neue Anhaltspunkte für die Aufklärung seines ungelösten Falles zu bekommen, treibt Baptiste in den Fall Alice Webster.
Die Kombination ist reizvoll, aber auch hier ist die eigentümliche Oberflächlichkeit zu spüren, die die Handlungsweise der Darsteller nicht immer logisch erscheinen lässt. Eve Stone scheint die Expertise von Julien Baptiste wichtig zu sein, aber als sie ihm in Deutschland gegenübersteht, weist sie ihn vehement ab. Eine gute Geschichte lebt aus ihren Konflikten, aber hier haben die Drehbuchautoren Harry und Jack Williams des Guten zu viel getan.
Ein zweites Beispiel ist der Handlungsstrang um Julien Baptiste in der Gegenwart. Durch den Selbstmord des Offiziers Henry Reed erhält Baptiste eine neue Spur. Aber nur über dessen Sohn, Daniel Reed, kann Baptiste die entscheidenden Informationen erhalten. So wird es dem Zuschauer suggeriert.
Baptiste wäre nicht der zähe, verbissene Ermittler, wenn er nicht erwartungsgemäß sofort in den Irak reist, um dort in den schlimmsten Krisengebieten nach Daniel Reed zu suchen.
Die Bilder sind beeindruckend und es ist spannend zu sehen, wie Baptiste lebensbedrohenden Situationen entgehen kann. Für die Informationen, die Baptiste letztendlich erhält, wirkt die Aktion aber überzogen und unglaubwürdig.
The Missing 2 ist ein Whodunnit. Wir sehen das Opfer, Alice Webster, und wir wollen wissen, wer der Täter ist. Die Staffel hält dieses Konzept aber nicht bis zum Ende durch. In der 6. Folge ist klar, wer der Entführer von Alice ist. Jetzt wandelt sich die Serie in ein Howcatchem. Der Zuschauer erhält einen Wissensvorsprung vor den ermittelnden Parteien. Wie nah die Ermittler dem wahren Täter kommen, ohne es zu erkennen, macht den eigentlichen Reiz dieser Krimivariante aus.
Leider fällt The Missing 2 dadurch ab. Die letzten Folgen werden zäh und die Spannung, die vorher aufgebaut wurde, fällt durch die vorzeitige Auflösung in sich zusammen.
Es wird versucht, einer komplexen Geschichte, Raum zu geben. Skandinavische Krimis weben gerne die persönliche Geschichte und Dramen der Hauptfiguren in den Spannungsbogen und in den Ermittlungserfolg mit ein. Hier wirkt es aber aufgesetzt: Ja, die Familie zerbricht durch den Tod von Alice. Und ja, Matthew Webster wird ein drogenabhängiger Skinhead. Aber alles muss für die Fortführung der Handlung einen Sinn haben, sonst bleiben solche Charakterzeichnungen eine Hülle.
Fazit: Bei allen "Abers": Ja, The Missing 2 ist ein guter Krimi.
Der Kritikpunkt einer unnötigen Vermischung von oberflächlicher Familienanalyse und Krimi bleibt. Eine Fokussierung auf die Ermittlungsarbeit hätte dem Gespann Jorn Lehnhart und Eve Stone einen höheren Stellenwert gegeben.
Der zweite Hauptkritikpunkt, der Wechsel zwischen zwei verschiedenen Krimitypen, ist das größte Ärgernis. Der Sprung vom Whodunnit zum Howcatchem ist einfach nicht gelungen und lässt die Serie ab der 6. Folge abflachen und die Spannung verpuffen.
Trotzdem lohnt es sich, bis zum Ende dabei zu bleiben. The Missing 2 ist solide Unterhaltung mit einem großartigen Tchèky Karyo und einer Handlung mit soviel Komplexität, dass es nicht langweilig wird. - Und das Ende: Seht selbst!
Hintergrund:
Das „Deutsche“ in der Serie
Als deutscher Zuschauer ist es spannend, nach bekannten Schauplätzen und nach deutscher Beteiligung in dieser Serie zu suchen. Eckhausen ist ein fiktiver Ort, als Drehort diente die belgische Stadt Malmedy.
Interessant ist der Schauplatz der britischen Kaserne. Die Schwimmbadszene in der 5. Folge verrät eindeutig den Standort. Es ist der in der malerischen Eifel gelegene IP (international Point) Vogelsang, eine ehemalige NS Ordensburg, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Briten und Belgiern als Kaserne genutzt wurde und heute als Gedenkstätte und Museum dient.
Deutsche Schauspieler? Ja, die gibt es auch:
- Florian Bartholomäi gehört zu den Schauspielern, die namentlich im Vorspann genannt werden. Leider bleibt seine Rolle als Polizeibeamter Jorn Lehnhart blass. Dies liegt nicht an Bartholomäi selbst, sondern eher an der Statistenrolle, die das Drehbuch ihm zugedacht hat. Ärgerlich ist eine angedeutete und nicht weiterverfolgte Beziehung zwischen ihm und Eve Stone.
- Der zweite ist Bernhard Schütz, Polizeidirektor Eichel, der den Vermisstenfall Alice Webster 2003 unter sich hatte. Leider auch nur eine Nebenrolle, die für den Fortgang der Handlung keine Bedeutung hat.
- Die Zwillinge Stefan und Tobias Schönenberg treten als die Adler Brüder auf, Freunde von Matthew Webster.
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Fakten |
Originaltitel: The Missing - Season 2
Produktionsjahr: 2016 auf DVD/Blu-ray ab: 29.09.2017
Genre: Krimi
Laufzeit/Folge:
60 Minuten
Diese Serie wurde bewertet von: PeTra(68%)
Texte: PeTra
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