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leer Die verlorene Tochter


Aufmachung Unterhaltung Spannung Action Musik Erotik Anspruch Eindruck Gesamt
***** ** **** ** ** ** **** **** 73%
 

 
Von wegen Kleinstadtidylle! In dieser deutschen TV-Produktion wird nicht nur eine Oberschichtfamilie von der Vergangenheit überrollt sondern gleich ein ganzer Ort... Hervorragend aufspielende Darsteller verschiedener Generationen und ein über sechs Folgen verteilter Plot sorgen am Ende bei fast allen Zuschauern für zwei mögliche Sichtweisen: Entweder man empfindet diese Serie unterirdisch oder großartig. Diese Kritik versucht, beide Seiten zu berücksichtigen:

Die verlorene Tochter (Minserie)


Wir schreiben das Jahr 2009 und ein Schulfest im idyllischen Lotheim wird das Leben viele Menschen auf ewig verändern. In dieser Nacht verschwindet Schülerin Isa (Henriette Confurius) nämlich spurlos. Das letzte, das die einzige Tochter der wohlhabenden Brauerei-Familie von Gems vor ihrem Verschwinden noch gesehen hat, ist der Sex, den ihre verheiratete Mutter Sigrid (Claudia Michelsen) mit dem örtlichen Kommissar Peter Wolff (Götz Schubert) in dessen Auto abhielt. War das der Grund für ihr Verschwinden? Ist Isa einfach nur abgehauen? Die Suche nach ihr reicht jedenfalls weit, bleibt jedoch ohne Erfolg. Während die von Gems sich mit der Zeit irgendwie damit arrangieren, dass Isa wahrscheinlich längst tot ist, zerbricht Komissar Wolff an der misslungenen Suche und verfällt dem Alkohol. Er verliert seinen Job und zehn Jahre später arbeitet er nun als Wachmann in der Brauerei von Isas Familie.

Die verlorene Tochter (Minserie)
Ex-Kommissar Peter Wolff (Götz Schubert) glaubte stets, dass Isa von Gems (Henriette Confurius) noch am Leben ist. Er sollte Recht behalten und nun will er herausfinden, was damals wirklich passiert ist und wo Isa die letzten zehn Jahre war.

Eines Abends entdeckt Wolff dann einen Mietwagen, welcher vor dem Brauereigelände parkt. Die junge Frau im Auto schießt Fotos und fährt dann wieder davon. Wolff ist sicher, dass es sich um Isa handelte, und er beginnt, mit ausgedruckten Suchanzeigen auf seine Sichtung aufmerksam zu machen. Das spricht sich in der kleinen Stadt natürlich schnell herum und während Wolff von Isas Vater Heinrich von Gems (Christian Berkel) für das scheinbar unnötige Aufwühlen alter Erinnerungen entlassen wird, wird bald klar: Isa ist tatsächlich zurück!

Die Verschwundene ist tatsächlich am Leben, doch scheint sie ihr Gedächtnis verlorenen zu haben. Sie ist zurück in Lotheim, um sich wieder zu erinnern – nicht nur bezüglich der verhängnisvollen Nacht im Jahr 2009 sondern auch bezüglich ihrer Familie und all den Mitmenschen von einst. Da wäre z.B. Isas alte Schulfreundin Jenny (Nina Gummich), die inzwischen mit dem einstigen Mitschüler Robert Wolff (Max von der Groeben), dem Sohn von Peter Wolff, verheiratet ist. Die vergangene Verbindung zwischen Robert Wolff und Isa von Gems spielt für Jenny dabei ebenso eine Rolle wie die Tatsache, dass sie inzwischen Roberts zweites Kind erwartet. Auch Robert, der ein gutbürgerliches Leben führt, wird durch Isas Rückkehr völlig aus der Bahn geworfen. Dennoch ist er einer der wenigen Menschen, die an Isas Gedächtnisverlust glauben, und will ihr helfen.

Die verlorene Tochter (Miniserie)
Das junge Ehepaar Robert (Max von der Groeben) und Jenny (Nina Gummich), zwei ehemalige Mitschüler, nehmen Isas Rückkehr äußerst unterschiedlich auf...

Derweil sorgt die Rückkehr der verlorenen Tochter innerhalb der Familie von Gems ebenfalls für Aufruhr. Währen ihr Vater Heinrich versucht, die alten Gefühle für seine Tochter zuzulassen, macht sich Mutter Sigrid Vorwürfe für das, was Isa vor 10 Jahren als Letztes von ihrer Mutter gesehen hat. Und während sich Isas Großmutter (Hildegard Schmahl) scheinbar als einziges Familienmitglied von Beginn an über die Rückkehr der Enkeltochter freut, ist sie vor allem für ihren Bruder Philipp (Rock Okon), welcher inzwischen verheiratet und Vater geworden ist, ein Dorn im Auge, schließlich will Philipp die Brauerei an US-Investoren verkaufen. Doch durch Isas Rückkehr geht der entscheidende Anteil der Brauerei wieder zurück an Isa. Aber nicht nur darauf hat Isas Rückkehr einen großen Einfluss. Es scheint, als wäre die halbe Stadt davon betroffen. Alte Wunden werden aufgerissen und Isa muss bald erkennen, dass auch sie nicht ganz unschuldig an allem ist...

Die verlorene Tochter (Minserie)
Heinrich von Gems (Christian Berkel) und Sohn Philipp (Rick Okon) sind ob der Zukunft der Familienbrauerei als auch bezüglich Isas Rückkehr unterschiedlicher Meinung.


Geniale Charakterzeichnungen in passendem Ambiente. Oder auch: Äußerst interessante Grundidee, die sich jedoch bald vom Kriminaldrama mit Mystery-Elementen zu einer Ü50-Telenovela mit pseudohafter Gesellschaftskritik entwickelt. Ein Erklärungsversuch:

Die meisten deutschen Produktionen überzeugen mich nämlich nicht, wenn es um die Charaktere geht. Deutsche TV-Macher schaffen es oft einfach nicht, den geneigten Zuschauer lange an das Produkt (z.B. eine Serie) durch eben das zu binden. Wenn sie es dann doch einmal schaffen, findet man das dann zumeist in bedeutungsfreien Telenovelas (z.B. GZSZ), Docutainments, oberflächlichen Serienformaten für die älteren Zuschauer oder Serienvarianten, die nicht täglich laufen (siehe „Tatort“).

In den letzten Jahren aber schafften es auch heimische Produktionen, den erfolgreichen amerikanischen Stil zumindest teilweise zu übernehmen und inzwischen laufen so auf Streamingdiensten wie Netflix, Sky oder Amazon Prime interessant gemachte (weil andersartige) Serienformate aus Deutschland. Populär sind hier „Dogs of Berlin“, „Pastewka“ (nach Staffel 7 bekanntlich von Sat.1 zu Amazon gewechselt), Der Pass, „4 Blocks“ oder die äußerst tiefgehende Serie „Dark“. Auch die deutsche Fernsehlandschaft versucht immer mehr, bestimmte Geschichten in umfangreich produzierte Mehrteiler zu verpacken. So liefen dann auch Retro-Produktionen wie „Weissensee“, „Charite“ und aktuell „Babylon Berlin“ mit entsprechendem Erfolg.

Die verlorene Tochter (Minserie)
Die zurückgekehrte Isa erkennt bald, dass auch ihre Mutter Sigrid (Claudia Michelsen) schon seit Jahren mit einigen persönlichen Unzulänglichkeiten zu kämpfen hat.

„Die verlorene Tochter“ schlägt von der Produktionsart in eine ähnliche Kerbe. Inhaltlich in der Gegenwart angelegt entwickelt sich diese Kriminalgeschichte von Christian Jeltsch über sechs Folgen und bietet einen runden Abschluss. Jeltsch, der sonst hauptsächlich die Kriminalgeschichten für „Polizeiruf 110“ und vor allem für „Tatort“ schreibt, kann sich aufgrund der Laufzeit dieser Krimi-Drama-Miniserie mal richtig austoben und eine einzige Geschichte auf nun weit über vier Stunden ausweiten. Diese Zeit nutzt der Drehbuchautor dann auch für das erzählerische Nahebringen der einzelnen Charaktere. Denn nicht nur die Figur der zurückkehrenden Tochter hat inhaltlich viel zur Hauptstory beizutragen, auch die anderen Familienmitglieder der einst so ehrwürdigen Brauerei-Familie haben in den vergangenen zehn Handlungsjahren viel Veränderung erlebt – ebenso übrigens auch manche Bewohner der hier gezeigten hessischen Kleinstadt zwischen Kassel und Frankfurt am Main. Gut in Szene gesetzt übrigens von TV-Regisseur Kai Wessel. Der schafft es, die teilweise in Deutschland ja noch (noch!) vorhandene Mittelschicht entsprechend einzufangen und auch die Rückblenden zu Beginn einer jeden Folge auf das Jahr 2009, wo die Gesamtstory seinen Anfang nahm, sind durchaus praktisch und für die Entwicklung der inhaltlichen Auflösung definitiv von Bedeutung.

Die verlorene Tochter (Minserie)
Lore von Gems (Hildegard Schmahl) will ihre Enkelin Isa besser verstehen. Oder worum geht es der Patriarchin der wohlhabenden Familie? Jedenfalls heuert sie den geschassten Ex-Kommissar Peter Wolff für weitere private Ermittlungen an.

Zugegebener Maßen entwickelt sich die Serie mit der Zeit immer weiter weg vom anfänglichen Drama mit Mysteryelementen hin zu einem Krimi-Drama mit Telenovela-Feeling. Denn die Doppelzüngigkeit innerhalb der Familie von Gems und manche spießbürgerliche Oberflächlichkeit werden hier genauso integriert wie wirtschaftliche Interessen ob der Zukunft der Brauerei und nicht unterdrückte Gefühle samt Bedauern und Fremdgehen. Logisch. Dementsprechend gibt es hier auch ein bisschen Nacktheit; ganz im Sinne von: Wenn, dann richtig! Allerdings ist dieser wiederkehrende Versuch von sexueller Inszenierung hinsichtlich optischer Dramaturgie eher peinlich, weil in der Umsetzung irgendwie typisch plump für deutsche Inszenierung von Drama. Wer jedoch die Serie vor allem wegen der Amnesie der Hauptfigur kritisiert, sollte bedenken, dass diese maßgebend ist, denn ohne diesen Gedächtnisverlust wäre das jetzige Verhalten von Isa nicht möglich und die ganze Serie damit hinfällig. So typisch Telenovela etwas wie "Amnesie" also auch ist - hier ist diese die Basis für beinahe alles.

Die verlorene Tochter (Minserie)
Isa wird nicht nur von ihrer Vergangenheit heimgesucht. Auch ihre inneren Dämonen machen es der jungen Frau nicht leicht, Antworten auf all ihre Fragen zu finden.

Trotzdem hat mich die Serie bis zum Ende tatsächlich gefesselt, denn ich habe von Beginn an überlegt, wer für das Unglück der Tochter in 2009 verantwortlich war. Denn der Grund für ihre Rückkehr wird relativ bald deutlich und auch, wo sich die Verschollene die letzten Jahre aufhielt. Aber wer oder was war der Auslöser für alles? Und während ich die sechs Folgen also aufmerksam verfolgte, erkannte ich immer wieder die einzelne Stärke vom Cast. Die Darsteller, die mehrere Generationen darstellen und so für interessante Abwechslung und Sichtweisen auf die Geschehnisse sorgen, sind eigentlich von Beginn an gut dabei und tragen diese Serie in vielen Situationen mehr, als es die Grundstory schafft. Alle (wirklich alle!) Schauspieler überzeugen in ihren jeweiligen Rollen und wirken glaubwürdig. Es gelingt den Machern relativ schnell, dass man dadurch bestimmte Charaktere schnell in entsprechende Schubladen steckt – ganz im Sinne von: Die Figur mag ich, die andere nicht. Erwähnen möchte ich jedenfalls noch, dass Max von der Groeben tatsächlich mehr kann, als den stupiden Schüler (siehe „Fack ju Göhte“) zu verkörpern. Als ich in der ersten Folge sah, dass er eine Hauptfigur mimen wird, war ich da erst besorgt, aber auch er ist hier unglaublich stark.

Die verlorene Tochter (Minserie)
Die Wirkung nach außen ist und bleibt immer positv. Innen jedoch scheint die Familie am Abgrund zu stehen. Doch ist es wirklich nur wegen der Zukunft der Brauerei?

Trotz der guten Inszenierung, des hervorragenden Casts und der guten Grundidee der Story muss man festhalten, dass der inhaltliche Ablauf wie bereits beschrieben eben auch zu einer negativen Wahrnehmung des Gesamtprodukts führen kann. Viele Zuschauer haben sich am Ende dann doch irgendwie veralbert gefühlt. Zuviel Anlehnung an typisch deutsche Serien zum Schluss und das sah man auch an den Zuschauerzahlen, als die Serie im ZDF lief. Startete die Serie noch mit 5,36 Millionen Zuschauern, hatte die letzte Folge nur noch 4,03 Millionen. Immer noch sehr gut, aber man sieht somit, dass sich locker 20% der Zuschauer gegen die Story-technische Entwicklung sträubten. Ich aber habe „Die verlorene Tochter“ durchaus genossen. Da ich sonst kein deutsches Fernsehen mehr verfolge, war diese Serie als kurzer Ausflug ins TV mal wieder ganz angenehm.

Die verlorene Tochter (Minserie)

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Fakten
Originaltitel:
Die verlorene Tochter
 
Produktionsjahr:
2020
 
auf DVD/Blu-ray ab:
14.02.2020
 
Genre:
Drama / Kriminalthriller / Mystery
 
Laufzeit/Folge:
45 Minuten
 
Diese Serie wurde bewertet von:
Conway(73%)
 
Texte:
Conway
 
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