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leer Inside Llewyn Davis


Länge Unterhaltung Spannung Action Musik Erotik Anspruch Eindruck Gesamt
** *** * * *** - **** *** 55%
 

 
Ausgleichende Gerechtigkeit? Im neuen Film der Coen-Brüder „Inside Llewyn Davis“ muss der Titelheld büßen. Und zwar für die Erfolge aller anderen Größen der amerikanischen Folk-Musik. Die wenig inspirierte Umsetzung ist dabei Geschmackssache – genauso wie die Musik selbst.

Inside Llewyn Davis


Okay, ich gestehe: Ich bin ein Coen-Fan. Aber – und jetzt kommt der wirklich schmerzhafte Teil der Beichte: nur ein halber. Ich habe „Barton Fink“ bewundert, „Fargo“ verehrt und konnte auch „A serious man“ sehr viel abgewinnen. „The Big Lebowski“ hingegen fand ich immer überbewertet. Mit „True Grit“ war auf meiner persönlichen Coen-Skala der Tiefpunkt erreicht. Da ist der aktuelle Versuch „Inside Llewyn Davis“ ein Fortschritt. Aber nur ein kleiner.

Praktischer Tipp vorweg: Wer nicht mindestens mit einer Herzhälfte für amerikanischen Folk glüht, sollte sich vor Kinobesuch entweder mit einem eigenen Ohrwurm wappnen und diesen in den ausgedehnten Musik-Passagen still vor sich hinsummen. Oder einfach zum Klassiker Ohropax greifen. Die immer gleiche Kamera-Dramaturgie in diesen Momenten (Nahaufnahme, extreme Nahaufnahme, Kamera entfernt sich langsam wieder) signalisiert schon rechtzeitig, wann es wieder vorbei ist und man die Ohren entstöpseln kann.

Dabei ist die Grundidee des Films, der in Cannes den großen Preis der Jury gewonnen hat, eigentlich sehr sympathisch: Llewyn Davis (Oscar Isaac), ein Möchtegern-Woody-Guthrie in den Mittzwanzigern, kämpft als Schaumbläschen auf dem Meer der amerikanischen Folk-Bewegung zu Beginn der 1960er Jahre um Aufmerksamkeit und Erfolg. Wobei „kämpfen“ maßlos übertrieben ist. Denn er sieht sich selbst als Berufsmusiker und lässt sich von Auftritt zu Auftritt treiben. Natürlich schlecht (wenn überhaupt) bezahlt, und natürlich ohne große Aussicht auf Besserung. Seit ihm der frühere Duett-Partner abhanden gekommen ist, stockt nicht nur die Karriere, sondern auch das Privatleben. Notorisch unterfinanziert, von Übernachtungsmöglichkeiten bei Freunden/Bekannten abhängig, gibt er sich nicht einmal mehr Mühe, die Menschen für sich zu gewinnen, die ihm nahe stehen. Euphorie ist für ihn kein Fremdwort, sondern völlig unbekannt. Manchmal scheint es, als müsste er für alle Erfolge der großen Folk-Vorbilder mit eigenem Misserfolg büßen.

Inside Llewyn Davis
Zwei auf der Suche: Llewyn Davis (Oscar Isaac) und die rote Katze.

Daraus hätten die Coens also mit Links eines ihrer tragikomischen Außenseiter-Märchen zimmern können. Zumal Oscar Isaac in der Hauptrolle sich absolut glaubhaft die wunde Seele aus dem Leib singt und zwischendurch herzzerreißend traurig guckt. Aber „Inside Llewyn Davis“ hat nichts Märchenhaftes. Der Film funktioniert auch weder als (Fake-)Doku, noch als Liebesfilm und schon gar nicht als Drama. Für Letzteres fehlt schlicht die Fallhöhe. Einmal unten, immer unten. Und das unterscheidet ihn von der anderen großen Einzelgänger-Figur dieses Kinojahres: „Frances Ha“, die ebenso durchs dschungelhafte New York mäanderte und mit ihren Kunstflausen im Kopf keinen festen Boden unter die Füße bekam. Doch im Gegenteil zur Frances der Jetztzeit fehlt dem Llewyn aus den 60ern die schier unerschöpfliche Energie. Vage Gedanken zum Siegeszug des Feminismus erscheinen da nicht einmal besonders spekulativ.

Also vielleicht eine Komödie? Immerhin leuchten ab und an die absurden Dialog-Künste früherer Coen-Filme auf. Immer öfter aber stehen sie nur noch in deren Schatten. Auch John Goodman, der zuverlässig wie ein Komet immer mal wieder in der Nähe der Coen-Scheinwerfer auftauchte, hat viel an Strahlkraft eingebüßt (wenn auch nichts von seiner physischen Größe). Sein, zugegebenermaßen skurriler Auftritt, hat keine Funktion, keinen Inhalt und keine Wirkung. Dafür passt er gut in einen Film, in dem die Coens auch noch ihr Gespür für Tempo und Verlangsamung verlassen zu haben scheint.

Inside Llewyn Davis
Roland Turner (John Goodman) als alter Jazz-Musiker on the road…

Nein, an mangelnder Liebe der Drehbuchautor/Regie-Brüder zum Sujet und dem Schicksal ihrer Hauptfigur liegt es nicht. Manchmal wird diese sogar tatsächlich spürbar. Und zwar genau dann, wenn einmal nicht die Musik im Fokus steht, und auch nicht die akribische Ausstattung (noch das letzte Auto, das im Hintergrund für Sekundenbruchteile um die Ecke biegt, ist absolut originalgetreu). Sondern das, was Misserfolg und zwischenmenschliche Rückschläge aus einem zweifellos talentierten Künstler machen.

Natürlich kann man das alles aber auch ganz anders sehen. Und deshalb hier meine Formel für den ganz individuellen Coen-Faktor:

Meine Bewertung: 55%. Fan von Folkmusik: +15%. Fan von Justin Timberlake: +5%. Coen-Neuling: +5%. „True Grit“ gut gefunden: +5%. Empfänglich für 60er-Jahre-Nostalgie: +5%. Hang zum Selbstmitleid: +10%.

Fan von Francis McDormand (Coen-Film-Urgestein, die wie keine andere zwischen Komik und Drama oszillierte): -10%. Selbst angehender (Musik-)Künstler auf der Suche nach Motivation und Inspiration: -100%.

Inside Llewyn Davis
Llewyn Davis (Oscar Isaac, links), Jim Berkey (Justin Timberlake, mitte)
und Al Cody (Adam Driver, rechts) bei einer Aufnahme-Session.

Inside Llewyn Davis
Johnny Five (Garret Hedlund) als wortkarger Chauffeur.

Inside Llewyn Davis
On the road: Die Coen-Brüder beim Dreh auf den Straßen Amerikas.

Inside Llewyn Davis

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Fakten
Originaltitel:
Inside Llewyn Davis
 
deutscher Kinostart am:
05.12.2013
 
Genre:
Drama
 
Regie:
Joel Coen & Ethan Coen
 
Länge:
ca. 100 Minuten
 
FSK der Kinofassung:
ab 6 freigegeben
 
Kinoverleih:
studiocanal
 
Dieser Film wurde bewertet von:
abu(55%)
 
Texte:
abu
 
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