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Philipp (Matthias Freihof) ist mit seiner Kollegin Tanja (Dagmar Manzel) zusammen, doch als er auf seine alte Jugendliebe Jakob (Alex Wandtke) trifft, kommen ihm Zweifel an seinem heterosexuellen Leben. Geschichtsträchtiges Drama, das die Fassetten des Coming-outs wirklichkeitsnah beleuchtet.

Coming Out


Während in Ost-Berlin die Sylvesterraketen böllern, eilt ein Krankenwagen mit Blaulicht durch die Straßen. Im Krankenhaus wird dem jungen Matthias Seifert (Dirk Kummer) der Magen ausgepumpt, weil er in einer Verzweiflungstat etwas zu sich genommen hat. Hinterher gesteht er unter Tränen, dass es getan hat, weil er seine Homosexualität entdeckt hat.

Der junge Lehrer Philipp (Matthias Freihof) rennt versehentlich im Treppenhaus seine Kollegin Tanja (Dagmar Manzel) um. Dadurch lernen sich die beiden besser kennen, später gehen sie gemeinsam aus. Tanja gesteht Philipp, dass sie schon lange für ihn geschwärmt hat, und sie beginnen eine Beziehung.

Tanja brennt darauf, Philipp ihrem guten Freund, den sie Redford nennt, vorzustellen. Dieser Redford, der dann vor Philipp steht, ist jedoch Philipps schwule Jugendliebe Jakob (Alex Wandtke), der damals bestochen wurde, damit er Philipp nicht mehr sieht.

Im Gefühlschaos nach diesem Wiedersehen geht Philipp "zum Zigarettenkaufen" in eine schwule Bar, wo er sich zulaufen lässt. Einer der beiden Kneipenbesucher, die Philipp nach Hause bringen, ist Matthias, den Philipp beim Anstehen vor dem Schauspielhaus wieder trifft. Die Affäre, die Philipp mit Matthias beginnt, wirft sein ganzes Leben durcheinander.

Coming Out


Viele Jahre musste der DDR-Regisseur Heiner Carow die DEFA bearbeiten, bis ihm Ende der 80er erlaubt wurde, das mutige Filmprojekt "Coming Out" zu realisieren. Carows vorletzter Kinofilm ist nicht nur der einzige Film der DDR, der eine homosexuelle Geschichte erzählt, er thematisiert auch in einer Szene die häufig verschwiegene, aber durchaus vorhandene Fremdenfeindlichkeit in der DDR (gegen Pierre Sanoussi-Bliss). Zudem ist die Premiere von "Coming Out" geschichtsträchtig: diese fand im Kino International am 09.11.1989 statt und die Premierenfeier wurde unterbrochen, um den Fall der Berliner Mauer zu verkünden.

Weil die Wiedervereinigung für die Filmemacher nicht vorherzusehen war und weil die Mauer eine solche Selbstverständlichkeit des Lebensalltags war, bleibt die Trennung Berlins im Film unerwähnt, spielt sie doch auch für die Handlung überhaupt keine Rolle. Bei der späteren Vermarktung wurde natürlich dennoch mit dem Zusammenfall von Premiere und Mauerfall geworben. Einige fühlten sich dadurch betrogen, weil sie erwarteten, dass der Film die Mauer thematisiert. Ohne diese Erwartung bietet "Coming Out" mehr Freude beim Schauen.

In ruhigen und äußerst realistischen Bildern erzählt Carow die nicht allzu originelle, aber emotional berührende Coming-out-Geschichte Philipps. Diese ist teilweise komisch, aber vor allem dramatisch. Philipp befindet sich – typisch fürs Coming-out – im Zwiespalt der heterosexuellen Prägung und Erwartung seiner Umwelt und seinen eigenen Gefühlen. Durch seine verständnislose Mutter und das schulische Umfeld steht Philipp unter gewissem Druck, sich in die Beziehung mit Tanja zu fügen, doch seine Gefühle ziehen ihn zu Matthias.

Coming Out

Heiner Carow hat für seine beiden männlichen Hauptrollen außergewöhnliche Nachwuchsdarsteller gefunden. Dirk Kummer überzeugt nicht nur bei seinem schauspielerischen Debüt, sondern war auch gleichzeitig Regieassistent. Matthias Freihof ("Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat", "Zurück auf Los!") spielt die Zerrissenheit Philipps sehr gut, doch manchmal scheint sein Gesicht etwas zu starr. An ihre Seite stellt Carow erfahrenere Darsteller wie Dagmar Manzel ("Frei nach Plan", "John Rabe"), Michael Gwisdek ("Good Bye, Lenin!", "Barfuss", "Männersache") als Barbetreiber oder Werner Dissel als älterer Barbesucher mit längerem Monolog.

Der Realismus des Films besteht nicht nur darin, dass beim Dreh Kummer wirklich ein Schlauch in den Rachen geschoben wurde, sondern auch darin, dass die nackten Männerkörper zärtlich beieinander liegen und die Kamera ohne Scham auf ihnen verweilt. Was heutzutage kaum erwähnenswert scheint, war unter den Umständen in der DDR bemerkenswert. Zudem bietet der Film einen guten Einblick in die lebhafte schwule Szene Ostberlins durch den Dreh in der seit 2000 geschlossenen Bar Zum Burgfrieden.

Coming Out

Für alle Bilder gilt:
Progress Film-Verleih/Foto Wolfgang Fritsche


  • "Coming out" ist im Progress Film-Verleih, die DVD ist bei Icestorm erschienen.

  • Das Drehbuch stammt von Wolfram Witt, der Carows letzten drei Kinofilme, also auch "So viele Träume" und "Die Verfehlung" schrieb. Dagmar Manzel spielte in Carows letzten drei Filmen mit.
  • Geschnitten wurde "Coming Out" von Heiners Ehefrau Evelyn Carow und die Filmmusik stammt von Stefan Carow.
  • Weitere Infos zum "Burgfrieden" und dem Ende der DDR findet ihr im Artikel aus der "Welt" vom 09. November 1999.

Coming Out

Jetzt coming out (sofern schon verfügbar) auf DVD übers Internet ausleihen
oder die DVD bei momox.de verkaufen.


 

 

Fakten
Originaltitel:
Coming Out
 
deutscher Kinostart am:
10.11.1989
 
Genre:
Drama
 
Regie:
Heiner Carow
 
Dieser Film wurde bewertet von:
Martin(79%)
 
Texte:
Martin
 
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25.07.2021 22:45 MDR
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